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Droht Bosnien Ukraine-Szenario? – Auslandsdiener warnt
Dennis (19) dient als erster Österreicher in Srebrenica. Die jüngsten Ereignisse deuten auf eine gefährliche Zukunft am Balkan hin.
Im ausführlichen Backstage-Interview berichtete der Zivildiener Dennis Miskic (19) über sein Leben aus erster österreichischer Diener an der Gedenkstätte Srebrenica. Die bosnische Stadt nahe der serbischen Grenze erlitt 1995 im Zuge des Bosnien-Krieges den Einmarsch bosnisch-serbischer Einheiten – daraufhin folgten Massenermordungen und Flüchtlingswellen. Der 19-Jährige fordert im "Heute"-Interview mehr Fingerspitzengefühl der österreichischen Politiker, denn: "In den Balkan für die Fotos ist zu wenig".
Wiener fällt vernichtendes Urteil über österreichisches Bildungssystem
Der gebürtige Wiener erfuhr selbst erst über Social-Media von den tragischen Ereignissen am Balkan in den 1990er-Jahren. In der Schule lernte er über das Thema nichts. "Da muss im Bildungssystem etwas gemacht werden", appelliert der Zivildiener im Gespräch mit "Heute". Als Jugendlicher über soziale Medien von Kriegen zu erfahren, ist seiner Meinung nach eine zu unsichere Informationsquelle.
Die Gefahr sei groß, nationalistische Parolen zu übernehmen oder Nachrichten zu glauben, die nicht verifiziert wurden. Doch nicht nur das Bildungssystem hat laut dem Wiener auf Friedensmission noch ordentlich Nachholbedarf.
"Symbolpolitik wichtig, reicht aber nicht"
Die weltweite Bewegung gegen den Ukraine-Krieg – "Heute" berichtet LIVE über die aktuellsten Ereignisse – sei zwar wichtig, aber bei Weitem nicht ausreichend. "Die Souveränität der Balkan-Staaten ist unantastbar. Vor allem ist sie dann unantastbar, wenn sie von einem Invasor in Gefahr gerät. Da müssen die europäischen Kräften viel stärker zu den gefährdeten Ländern stehen", fordert Dennis im Bezug auf die immer unruhiger werdende Situation in Bosnien. Erst kürzlich berichtete er "Heute" von 500 eingerückte EU-Friedenssoldaten, die präventiv vor Ort verweilen.
Video: Auslandsdiener Dennis über Nachholbedarf der österreichischen Politik
"Unsere Politiker kommen desinformiert und gehen desinformiert"
Vor allem von den österreichischen Politikern verlangt der Wiener viel mehr als nur eine Auslandsreise. "Die Politiker kommen meistens uninformiert und gehen uninformiert wieder zurück", meint der Wehrdiener im Backstage-Interview. "Vielleicht kennt man die genauen Gründen für die Probleme am Balkan nicht oder das Experten-Team ist einfach zu schlecht", vermutet Dennis.
Für den Vielvölkerstaat, in welchem Muslime, Christen und Orthodoxe miteinander leben, wünscht er sich mehr Fingerspitzengefühl. Es reiche nicht, Appelle an die lokalen Medien zu richten und europäische Stabilitätsfloskeln zu schwingen.
Russischer Botschafter mit "Warnung an Bosnien, sich der NATO anzuschließen"
Der Ukraine-Krieg bringt Traumata aus alten Tagen wieder hervor und beschäftigt viele Bosnier. Die Mehrheit solidarisiert sich mit der Ukraine. Dadurch, dass Srebrenica innerhalb der autonomen Region der Republika Srpska liegt, merke man anhand von Plakaten oder serbischen Politikern den pro-russischen Standpunkt vieler Politker. Auch der Tag der Republika Srpska am 9. Jänner sorgte für Polemik, weil Kriegsverbrecher wie der ehemalige Führer der bosnisch-serbischen Einheiten, Ratko Mladic, verherrlicht wurden.
Zivildiener Dennis über die Lage in Bosnien hier im Video:
Während Anfang der 1990er-Jahre noch 90% der Einwohner in Srebrenica muslimische Bosnier waren, stehe die Einwohnerzahl zwischen Serben und Bosnier nun bei 50:50. Seit der russischen Invasion sind alle Augen auf den Balkan gerichtet, da Experten vor dem russischen Einfluss in Serbien warnen.
Angst schürt unter anderem der russische Botschafter in Bosnien-Herzegowina, Igor Kalabuchow. Er sprach in einem Interview mit dem TV-Sender "Face TV" davon, dass Bosnien selbst wissen würde, was das Land will. Die Antwort Russlands stehe auf einem anderem Blatt. Dies sah er aber nicht als Drohung, sondern als "Warnung".
Die Warnung des russischen Botschafters Kalabuhow ab Minute 11 hier im Video:
Der 19-jährige Wiener begibt sich bald wieder zurück nach Bosnien, um dort weiter vor Ort zum Frieden beizutragen. Für die Zukunft wünscht er sich eine noch größere Beteiligung aller Staaten in Europa zum Frieden.